Warum kaufen Menschen – und warum manchmal eben nicht?

Viele Unternehmen investieren enorm in ihre Vertriebsprozesse: CRM-Systeme, Funnels, Training. Doch wenn am Ende die Abschlüsse ausbleiben, liegt das Problem selten nur im Prozess. Oft geht es um etwas Tieferes – etwas, das mit Haltung, Identität und der inneren Verbindung zum eigenen Angebot zu tun hat.

In diesem Beitrag zeige ich anhand einer Fallstudie, wie ein Vertriebsteam mit vielen Leads, aber miserabler Abschlussquote über eine systemische Aufstellung zu überraschenden Einsichten kam – und innerhalb weniger Monate seine Ergebnisse mehr als verdoppeln konnte.

 

 

Die Herausforderung

Wir führen so viele gute Gespräche – aber kaum jemand sagt wirklich Ja.“

Im Frühjahr 2024 stand ein vierköpfiges Vertriebsteam aus einem mittelständischen Beratungsunternehmen unter Druck. 
Trotz der hohen Nachfrage und qualifizierten Erstgespräche (monatlich gingen über 30 qualifizierte Leads ein) , lag die Abschlussquote bei gerade einmal 18 %. Die Stimmung war angespannt, die Unsicherheit spürbar. Und obwohl bereits einiges unternommen worden war – optimierte Angebote, neue Pitch-Decks, Follow-up-Automationen – fehlte das entscheidende Momentum.

Was mich hellhörig machte, war weniger das, was gesagt wurde, sondern wie es gesagt wurde. Zwischen den Zeilen schwang eine Dynamik mit, die ich aus anderen Kontexten gut kannte: Eine subtile Rechtfertigung, fast eine Hoffnung, dass man doch irgendwie „durchkommt“. Ich ahnte: Hier geht es nicht nur um Prozesse – hier wirkt eine tiefere Ebene.

Zahlen und Fakten sprachen eine klare Sprache: Hohe Anzahl an Leads, kaum Konversion. Alles deutete auf ein strukturelles Problem im Vertriebsprozess hin. Funnel-Optimierung, neue CTAs, CRM-Maßnahmen – all das war bereits in der Umsetzung. Und doch blieb der Erfolg aus. Kein Tool, kein neues Template hatte die entscheidende Wende gebracht.

Deshalb schlug ich vor, tiefer zu schauen. Nicht auf der Prozessebene, sondern im Feld der Unternehmensidentitäten.

 

Die Lösung

Statt den Vertriebsprozess operativ zu optimieren, entschieden wir uns für eine systemische Aufstellung, um die unsichtbaren Spannungen im Feld sichtbar zu machen. Kein Rollenspiel, keine Simulation, sondern eine klare, strukturierte Arbeit mit Stellvertretern – digital auf einem Miro-Board. Ich arbeite in solchen Fällen mit spezifischen Elementen, die das energetische und strukturelle Gefüge eines Systems offenlegen. In diesem Fall kamen acht Repräsentanten ins Feld:

  • das Vertriebsteam
  • der Kunde
  • der Premium-Preis
  • der Abschluss
  • die Bittsteller-Haltung
  • die souveräne Positionierung
  • die Angst vor Ablehnung und
  • die Unternehmensvision.

 

IST-Aufstellung – das Bild zu Beginn:

Schon beim intuitiven Aufstellen wurde sichtbar, was sich zuvor nicht in Worte fassen ließ: Das Vertriebsteam stand dem Kunden sehr nahe, aber mit abgewandtem gesenktem Blick. Eben nicht auf Augenhöhe. Der Premium-Preis war zwar präsent, aber beinahe gelangweilt. Dazwischen: die Bittsteller-Haltung, die das Team emotional begleitete, fast wie ein Schatten. Und ganz klar spürbar: eine unsichtbare Mauer der Angst – die Angst vor Ablehnung, vor dem „zu teuer“, vor dem Nein. Und der Abschluss war weit entfernt, kaum erreichbar.

 

Intervention Neuausrichtung im Feld:

Ich stellte Fragen und ließ das Team über Stellvertreter in Resonanz gehen. Was sagen Preis und Vision zum Team? Was braucht der Abschluss, um sich zeigen zu können? Und vor allem: Welche Haltung will hier verabschiedet werden?

In mehreren Schritten vollzog sich eine Transformation im Feld:
Die Bittsteller-Haltung wurde bewusst verabschiedet – nicht als „Feind“, sondern als bisherige Überlebensstrategie. Das Vertriebsteam wandte sich dem Premium-Preis zu, stellte sich dazu – mit dem Satz: „Du bist Ausdruck unseres Wertes, und ich stehe zu dir.“ Eine neue Figur wurde eingeführt: die souveräne Positionierung. Sie verband sich mit dem Team und veränderte die Energie spürbar. Schließlich wurde der Abschluss umpositioniert: nicht mehr weit entfernt, sondern greifbar und erreichbar. Und als wir die Unternehmensvision als übergeordnetes Element ins Feld brachten, wurde klar: Der Vertrieb verkauft nicht nur ein Angebot – sondern eine Haltung, ein Versprechen, ein Stück Zukunft.

 

Diese mentale Neuordnung wurde anschließend in Vertriebsmeetings, Angebotsgesprächen und Pricing-Gesprächen geübt und bewusst verankert.

 

Das Ergebnis

Was dann folgte, war bemerkenswert – und doch kein Wunder. In den folgenden Wochen veränderte sich das Verhalten des Teams spürbar. In Gesprächen war plötzlich Klarheit, Präsenz, Standfestigkeit. Es wurde nicht mehr um Zustimmung geworben, sondern ein Angebot gemacht, mit innerer Ruhe und Sicherheit. Follow-ups wurden kürzer, Entscheidungen klarer. Vier Monate später hatte sich die Abschlussquote von 18 % auf 42 % mehr als verdoppelt. Die durchschnittliche Dealgröße stieg. Rabatte waren kein Thema mehr.

Die Wirkung zeigte sich schwarz auf weiß:

  • Abschlussquote stieg von 18 % auf 42 %

  • Deutlich weniger Preisverhandlungen

  • Kunden meldeten sich proaktiv zurück – mit klaren Entscheidungen

  • Das Team fühlte sich nicht mehr als Bittsteller, sondern als wertvoller Partner auf Augenhöhe

  • Die durchschnittliche Auftragsgröße stieg um knapp 30 %

 

Fazit: Systemische Einordnung

Für mich war dieser Fall ein klassisches Beispiel dafür, wie schnell Unternehmen auf eine strukturelle Ebene (z. B. Prozesse, Funnel, KPIs) schauen – und dabei übersehen, dass die eigentliche Blockade eine Frage der Identität ist.

Die sichtbare Störung nämlich eine niedrige Abschlussquote – war nur das wahrgenommene Symptom. Im Modell der fünf Ebenen der Unternehmensidentität würden wir dies auf Ebene 2, der StrukturIdentität, verorten. Schließlich zeigte sich das „Problem“ in harten Zahlen: wenig Abschlüsse, ineffizienter Sales-Funnel.

Doch die eigentliche Ursache lag tiefer, auf Ebene 1, der Sinn-Identität. Das Team war innerlich nicht verbunden mit dem Wert seines Angebots. Es hatte den Premium-Preis „auf dem Papier“, aber nicht im Herzen. Und genau deshalb konnte auch Ebene 3, die Sozial-Identität, ihre Kraft nicht entfalten: Die Kommunikation im Team war freundlich, aber nicht kraftvoll. Es fehlte der gemeinsame innere Standpunkt.

Diese Geschichte hat mich wieder einmal daran erinnert, dass Transformation nicht dort beginnt, wo wir Symptome bekämpfen, sondern dort, wo wir bereit sind, unsere Haltung zu hinterfragen. Die Aufstellung brachte diese Wahrheit an die Oberfläche und schuf damit die Basis für echte, nachhaltige Veränderung.